1. Eine Darstellung rechtfertigt aufdringlich den gegenwärtigen Zustand, d.h. sieht die politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnisse der eigenen Gegenwart als Fortschritt oder gar als krönenden Abschluss einer geschichtlichen Entwicklung (z.B. sehen die Schulbücher der DDR deren entwickelte sozialistische Gesellschaftsordnung als Resultat der Befreiung der Unterdrückten und als Vorhof zum Paradies des Kommunismus, die Schulbücher unseres Staates sehen die freiheitlich-demokratische Grundordnung oftmals als die nun endlich gelungene Vollendung von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten).
2. Eine Darstellung ist zu eindeutig, sieht z.B. einen geschichtlichen Verlauf nur als folgerichtig und sieht keine Brüche oder weiß alles ganz genau, ohne einzuräumen, dass jedes Bild, welches wir uns von der Vergangenheit machen, unsicher ist.
3. Eine Darstellung erscheint einseitig und parteiisch, z.B. weil sie einseitig Schuldzuweisungen trifft oder deutlich durch eine bestimmte Weltanschauung (= Ideologie) beeinflusst ist, welche als solche aber meistens verschwiegen wird. Mittels dieses Verschweigens stellt eine Darstellung eine scheinbare Plausibilität (= Glaubwürdigkeit) her. Doch diese Plausibilität ist nur innerhalb der Weltanschauung gegeben und kann somit nicht als objektiv gelten.
4. In einer Darstellung werden erkennbar Zusammenhänge unvollständig (z.B. wichtige Ursachen, Folgen, Bedingungen etc. werden nicht genannt), nicht epochenübergreifend oder verzerrt (z.B. übertrieben, spöttisch, beschönigend, feierlich) dargestellt.
5. In einer Darstellung wird nur wenig erklärt (d.h. wenige Ursachen genannt) oder die Erklärungen sind widersprüchlich bzw. schlecht durch Fakten belegt.
Anmerkung: Jede Aussage, Abhandlung oder Darstellung transportiert zugleich mit dem Inhalt einen Subtext. Dieser Subtext beinhaltet die Motivation der Aussage oder Darstellung, also unter Umständen das, was eigentlich gemeint ist.
Beispiel: Schülerin X schreibt vor einer Unterrichtsstunde „Lehrer Y ist doof“ an die Tafel. Wahrscheinlich bezweifelt die Schülerin gar nicht die intellektuellen Fähigkeiten des von ihr bloßgestellten Pädagogen, sondern sinnt auf Rache, z.B. für eine ungerechte Bewertung. Der Sinn des „Tafelanschriebs“ steht also im Subtext, der Sinn des Textes ist belanglos. Das kann auch bei historischen Texten vorkommen, deren Subtexte daher immer Teil der kritischen Betrachtung sein sollten.
Erkennt man in einem Text, Bild oder Film einen oder mehrere dieser Gründe, dann müssen in der Interpretation die Verzerrungen, ideologischen Einseitigkeiten, der Subtext etc. einschließlich eines Belegs genannt und hinterfragt werden. Ergebnis der Hinterfragung muss am Ende eine begründete Einschätzung der Plausibilität der Darstellung sein.